Hasset eure Feinde!

Ein christlicher Zen-Schüler kam mit einer Bibelstelle nicht zurande und sprach mit seinem Lehrer darüber. "Aus mir wird nie ein guter Christ." sagte er. "Jesus hat uns gelehrt, unsere Feinde zu lieben und für die zu beten, die uns verfolgen. Es fällt mir schwer, dies in die Tat umzusetzen, erst recht nach den Anschlägen vom 11. September."

"Ehrlichkeit weiß ich zu schätzen." antwortete der Zen-Meister. "Es ist schwer und ich glaube, dass auch der Buddhismus keine einfache Lösung parat hat. Buddha hat im Wesentlichen das Gleiche gelehrt, als er sagte: "Hass hat sich noch nie durch Hass überwinden lassen, sondern nur durch Liebe." "Das ist eine ewig gültige Wahrheit."

"Wer kann so etwas aber umsetzen?" regte der Student sich auf. "Das ist doch der Gipfel des Idealismus - das ist jedenfalls nicht durchführbar."

"So?", erwiderte der Meister gelassen. "Dann wollen wir mal die Gegenposition beziehen. Wir hassen unsere Feinde und wünschen ihnen den Tod. Wir nehmen die Dinge selber in die Hand und töten die Bösewichte. Deren Freunde und Verwandte werden sich dann an uns rächen wollen. Was ist an einer solchen Lösung praktisch? Wie soll ein solcher Teufelskreis enden? Hat Hass in Nordirland oder dem nahen Osten auch nur ein Problem lösen können?" 

Dem Schüler verschlug es die Sprache.

Der Meister seufzte: "Jusus und Buddha waren die größten Pragmatiker, die es je gegeben hat, und ausgerechnet sie bezeichnet man als Idealisten. Wann wird die Welt endlich aufwachen?"

 

Aus: Anleitung zum Glücklichsein

       100 Zengeschichten für das neue Jahrtausend von Kennth S. Leong

 

Ich wünsche Dir eine schöne Zeit