Der Tempel der tausend Spiegel

 

Ein Geschenk von der zeitzer Hanselbande zum dreiunfünzigsten Geburtstag

 

In einem fernen Land gab es vor langer, langer Zeit einen Tempel mit tausend Spiegeln. Eines Tages kam, wie es der Zufall so wollte, ein Hund des Weges. Der Hund bemerkte, dass das Tor zum Tempel geöffnet war. Vorsichtig und ängstlich ging er in den Tempel hinein. Hunde wissen natürlich nicht was Spiegel sind und was sie vermögen. Nachdem er also den Tempel betreten hatte, glaubte er sich von tausend Hunden umgeben. Der Hund begann zu knurren und er sah auf die vielen Spiegel. Von überall blickten ihm Hunde entgegen, die ebenfalls knurrten. Schließlich begann er die Zähne zu fletschen und im gleichen Moment begannen die tausend Hunde ebenfalls die Zähne zu fletschen. Der Hund bekam es mit der Angst zu tun. So etwas hatte er noch nie erlebt und voller Panik lief er, so schnell er konnte, aus dem Tempfel hinaus. Dieses furchtbare Erlebnis hatte sich tief in das Gedächtnis des Hundes eingegraben. Fortan hielt er es für erwiesen, dass ihm andere Hunde feindlich gesinnt sein mussten. Die Welt war für ihn ein bedrohlicher Ort. Von anderen Hunden gemieden, lebte er verbittert bis ans Ende seiner Tage.

Die Zeit verging und wie es der Zufall so wollte, kam eines Tages ein anderer Hund des Weges. Der Hund bemerkte ebenfalls, dass das Tor zum Tempel der tausend Spiegel geöffnet war. Neugierig und erwartungsvoll ging er in den Tempel hinein. Auch er wusste natürlich nicht was Spiegel sind und was sie vermögen, auch er glaubte sich von tausend Hunden umgeben. Doch dieser Hund begann zu lächeln und er sah auf die vielen Spiegel und überall sah er Hunde, die ebenfalls lächelten - so gut Hunde eben lächeln können. Er begann vor Freude mit dem Schwanz zu wedeln und im selben Augenblick begannen die tausend Hunde ebenfalls mit dem Schwanz zu wedeln. Der Hund wurde noch fröhlicher. So etwas hatte er noch nie erlebt und voller Freude blieb er so lange er konnte im Tempel und spielte mit den tausend Hunden. Dieses schöne Erlebnis hatte sich tief in das Gedächtnis des Hundes eingegraben. Fortan sah er es als erwiesen an, dass ihm andere Hunde freundlich gesinnt waren. Die Welt war für ihn ein freundlicher Ort. Von anderen Hunden gern gesehen, lebte er glücklich bis ans Ende seiner Tage.